Jahresbericht 2023
Die bisherige Verbesserung der Luftqualität in der Ostschweiz hat sich 2023 weiter bestätigt. Erfolge zeigen sich seit einigen Jahren vor allem bei den Stickoxiden und beim Feinstaub PM10 bzw. PM2.5. Grossflächige Grenzwertüberschreitungen gibt es aber nach wie vor bei Ozon, Ammoniak und krebserregendem Russ, teilweise auch beim Feinstaub PM2.5. Zum Gesundheitsrisiko durch Feinstaub tragen neben dem Verkehr auch die - überwiegend kleinen - Holzfeuerungen wesentlich bei. Entsprechend den wissenschaftlichen Erkenntnissen empfiehlt die Eidgenössische Kommission für Lufthygiene zum Schutz der Gesundheit weitere Senkungen der Schadstoffbelastung der Atemluft.
Dies zeigen die Auswertungen in der Rubrik «Luftqualität» wie auch die Zusammenstellung der gesundheitlichen Zusammenhänge in der Rubrik «Auswirkungen». In der Rubrik «Fokus» werden spezielle Themen aufgegriffen: So werden die Empfehlungen der Eidgenössische Kommission für Lufthygiene beurteilt, es gibt eine Studie über die Langzeitmessungen des Feinstaubs PM10. Zudem werden die Kosten, welche durch Luftschadstoffe entstehen beziffert, Ozon in der Sommersaison bewertet und die Partikelbelastung im Hafen Romanshorn durch die Schifffahrt untersucht.
Luftqualität 2023
Die Luftqualität in der Ostschweiz hat sich 2023 gegenüber den Vorjahren wenig verändert, wie die Luftqualitätsmessungen von OSTLUFT belegen. Im OSTLUFT-Gebiet wurden auch 2023 die Jahresmittel-Grenzwerte für Feinstaub PM10 an allen Standorten eingehalten. Bei der feineren Staubfraktion PM2.5 liegen die meisten Standorte im Bereich des Jahresmittel-Grenzwertes. Beim Stickstoffdioxid konnte der Jahresmittel-Grenzwert lediglich an stark befahrenen Strassen nicht eingehalten werden. Weiterhin grossflächige Überschreitungen der Grenz- respektive Richtwerte stellt OSTLUFT bei Ozon sowie beim krebserregenden Russ aus Holzfeuerungen und dem Verkehr fest. Ebenso sind die Stickstoffeinträge in empfindliche Ökosysteme, vor allem verursacht durch Ammoniak aus der Landwirtschaft, deutlich zu hoch.
Geringere Verbesserungen bei den Holzfeuerungen
Messungen in Dörfern mit hohem Anteil an Holzfeuerungen zeigen bei den für Holzfeuerungen typischen Feinstaub-Bestandteilen eine geringere Abnahme als für die übrigen Luftschadstoffe im Siedlungsraum. Davon sind vor allem die krebserregenden Bestandteile Russ und polyaromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) betroffen. Die Russbelastung ist an diesen Standorten gleich hoch wie beispielsweise am Autobahnstandort in Opfikon-Balsberg oder in der Stadt Zürich.
Luftverschmutzung ist immer ungesund
Belastete Luft kann unter anderem Atemwegs- und Herzkreislauferkrankungen hervorrufen sowie Vorerkrankungen verstärken. Die aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse belegen, dass auch geringe Luftverschmutzungen negative Auswirkungen auf die Gesundheit haben. Entsprechend empfiehlt die Eidgenössische Kommission für Lufthygiene in ihrem neusten Bericht tiefere Richtwerte für die Belastung durch Luftschadstoffe. So wirken sich auch die verhältnismässig tiefen Schadstoffkonzentrationen bei uns negativ auf die Gesundheit der Bevölkerung aus. Dabei spielt nicht nur die Konzentration einzelner Schadstoffe, sondern auch deren Zusammenwirken eine Rolle.
Massnahmen schützen die Gesundheit
Dank der Verschärfung der Abgas-Grenzwerte für Motorfahrzeuge und deren verstärkte Kontrolle hat die Luftbelastung durch Motorenabgase in den letzten Jahren verstärkt abgenommen. Weitere Verbesserungen der Luftqualität sind auch durch den Ersatz fossil betriebener Fahrzeuge durch Elektrofahrzeuge zu erwarten. Die Landwirtschaft ist Hauptquelle der übermässigen Ammoniak-Belastungen. Zu deren Verringerung ist der Einsatz von emissionsmindernden Techniken beim Gülleausbringen und Güllelagerung, die in der Luftreinhalte-Verordnung ab 2024 festgeschrieben sind, ein wichtiger Schritt. Eine Herausforderung liegt auch bei den Holzfeuerungen. Die Zunahme von Holzfeuerungen anstelle von fossilen Heizungen bedingt zusätzliche Anstrengungen für einen emissionsarmen Betrieb der als klimafreundlich geltenden Holzfeuerungen.
Potenzial weiter nutzen
Aufgrund des grossen Einflusses der Luftbelastung auf die Gesundheit sind weitere und stetige Verbesserungen der Luftqualität bei allen Schadstoffen notwendig. Der Fokusbericht zu luftschadstoffbedingten Gesundheitskosten zeigt eindrücklich den Einfluss verschiedener Expositionen auf. Das Umweltschutzgesetz fordert grundsätzlich die Minimierung des Schadstoffausstosses durch die Umsetzung des bestmöglichen Standes der Technik bei allen Quellen. Einen wichtigen Beitrag kann dabei auch die Bevölkerung mit ihrem Mobilitäts- und Konsumverhalten leisten. Die erzielten Verbesserungen der Luftqualität in den letzten Jahrzehnten zeigen, dass sich der Einsatz lohnt. Weitere Anstrengungen zur Verbesserung der Luftqualität werden sich mehrfach auszahlen.
Luftqualität nach Schadstoffen
Feinstaub PM10
Die Entwicklung der PM10-Belastung zeigt weiterhin ein positives Bild. Über die letzten zwanzig Jahre gesehen, ging die PM10-Feinstaubkonzentration im Jahresmittel deutlich ...
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Die Entwicklung der PM10-Belastung zeigt weiterhin ein positives Bild. Über die letzten zwanzig Jahre gesehen, ging die PM10-Feinstaubkonzentration im Jahresmittel deutlich zurück. Wie im Vorjahr überschritt keine Messstation in der Ostschweiz den Jahresmittel-Grenzwert. In städtischen und verkehrsexponierten Lagen wurde der Tagesmittel-Grenzwert 2023 an einzelnen Tagen überschritten.
Die Jahresmittelwerte beim Feinstaub PM10 haben seit Messbeginn deutlich abgenommen. 2023 blieben die Konzentrationen ähnlich wie in den Vorjahren. Der Jahresmittel-Grenzwert von 20 µg/m3 wurde an allen Messstandorten in der Ostschweiz eingehalten. Am Autobahnstandort Chur A13 wurde das höchste Jahresmittel mit 15 µg/m3 gemessen. In ländlichen Gebieten und besonders in höheren Lagen ist die PM10-Feinstaubbelastung zwischen 9 und 10 µg/m3 am geringsten. In den letzten fünfzehn Jahren hat die PM10-Feinstaubbelastung, bezogen auf die Jahresmittelwerte, um gut ein Drittel abgenommen.
Eine Entlastung wurde auch bei den Tagesmittelwerten festgestellt. Sowohl die Höhe der maximalen PM10-Tagesmittelwerte als auch die Anzahl Überschreitungen des Tagesmittel-Grenzwertes von 50 µg/m3 haben im letzten Jahrzehnt deutlich abgenommen. Im Vergleich zum Vorjahr lag 2023 die Zahl der Grenzwertüberschreitungen deutlich tiefer und auch die maximalen PM10-Tagesmittelwerte sind zurückgegangen.
Zur deutlichen Entlastung tragen die umgesetzten Massnahmen bei den Holzfeuerungen und in der Industrie sowie die Dieselpartikelfilter bei PW's und Nutzfahrzeugen bei. Der Minderungseffekt wird auch verstärkt durch den Rückgang von Inversionslagen in den letzten Jahren. Das sind Witterungsphasen, während denen das Mittelland lange Zeit unter einer kalten Hochnebeldecke liegt. Bei solchen Inversionslagen ist der Luftaustausch stark eingeschränkt und in der Folge reichern sich die Abgase aus dem Verkehr, den Feuerungen sowie Industrie und Gewerbe in den bodennahen Luftschichten an. Werden die Inversionen durch häufige Luftwechsel immer wieder aufgelöst, reichern sich die Schadstoffe in der bodennahen Luftschicht weniger an. Das Frühjahr 2023 war überdurchschnittlich mild und die Heizperiode war vergleichbar mit dem Vorjahr. Auch der Herbst 2023 war bis in den Oktober immer wieder sonnig, und mild. Somit traten praktisch keine Inversionen und erhöhte Feinstaubkonzentrationen auf.
Tabellen Entwicklung der PM10-Jahreswerte
Feinstaub PM2.5
Zusätzlich zum Grenzwert für die Feinstaubfraktion PM10 gilt seit 2019 auch ein Jahresmittel-Grenzwert für PM2.5. Im OSTLUFT-Gebiet wurde 2022 an zehn Standorten PM2.5 gemessen.
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Zusätzlich zum Grenzwert für die Feinstaubfraktion PM10 gilt seit 2019 auch ein Jahresmittel-Grenzwert für PM2.5. Im OSTLUFT-Gebiet wurde 2022 an zehn Standorten PM2.5 gemessen.
Bei den Messungen 2023 wurde der Jahresmittel-Grenzwert für PM2.5 von 10 µg/m3 an keiner Messstation in der Ostschweiz überschritten. Am höchsten ist die Belastung mit PM2.5 an den verkehrsreichen Standorten mit einem Jahresmittelwert von etwa 9 µg/m3. Das tiefste gemessene Jahresmittel betrug etwa 6 µg/m3 am siedlungsfernen Standort St.Gallen-Stuelegg.
Die Unterschiede in der PM2.5-Belastung an den verschiedenen Messstandorten sind ähnlich wie beim PM10, aber deutlich geringer als beim NO2. Feinstaub PM2.5 und PM10 werden grossräumiger verteilt.
Zu den Quellen für Feinstaub und Russ zählen vor allem der Strassenverkehr und die Holzfeuerungen. Dabei spielen auch private Holzheizungen wie etwa Holzzentralheizungen, Kachelöfen oder Kleinöfen eine grosse Rolle.
Tabellen Entwicklung der PM2.5-Jahreswerte
Russ eBC
Feinstaub-Partikel enthalten auch krebserregende Russteilchen (eBC) aus Dieselmotoren und Holzfeuerungen. Die Russkonzentrationen liegen grossflächig deutlich über dem von der ...
Mehr erfahrenRuss eBC
Feinstaub-Partikel enthalten auch krebserregende Russteilchen (eBC) aus Dieselmotoren und Holzfeuerungen. Die Russkonzentrationen liegen grossflächig deutlich über dem von der Eidgenössischen Kommission für Lufthygiene (EKL) empfohlenen Zielwert von 0.1 µg/m3.
In den Siedlungsgebieten wurden 2023 Russ-Jahresmittelwerte zwischen 0.2 und 0.7 µg/m3 gemessen. An den meisten Siedlungsstandorten und strassennahen Standorten hat die Russbelastung gegenüber den Vorjahren minimal abgenommen. An den siedlungs- und strassenfernen Standorten ist die Belastung etwa gleichgeblieben. Den Anteil der Witterung oder der Emissionsentwicklung an der kurzfristigen Veränderung ist nicht zu quantifizieren.
Dank der Massnahmen an verschiedenen Quellen hat sich seit 2010 die Russbelastung an den stärker belasteten Standorten deutlich mehr als halbiert. Dazu haben unter anderem die Partikelfilter bei dieselbetriebenen PW's, Lastwagen und Bussen sowie Partikelfilter bei grossen Holzfeuerungen beigetragen. Zur Erreichung des Zielwertes sind auch weitere Massnahmen nötig, wie beispielsweise die Filterpflicht auch bei dieselbetriebenen Arbeitsgeräten und Traktoren. Eine Herausforderung bleibt auch die Emissionsminderung bei den Holzfeuerungen, die vor allem in der Anfeuerungsphase sowie beim Gluterhalt häufig sehr hohe Schadstoffemissionen verursachen.
Stickstoffdioxid (NO₂)
Die Luftbelastung mit Stickoxiden hat sich an den verkehrsbeeinflussten Standorten weiter verbessert, nachdem – unter anderem wegen des Dieselskandals – eine längere Stagnation ...
Mehr erfahrenStickstoffdioxid (NO₂)
Die Luftbelastung mit Stickoxiden hat sich an den verkehrsbeeinflussten Standorten weiter verbessert, nachdem – unter anderem wegen des Dieselskandals – eine längere Stagnation vorausgegangen war. Der Jahresmittel-Grenzwert für Stickstoffdioxid wird 2023 an den meisten verkehrsnahen Standorten unterschritten.
Die Entwicklung der Belastung durch Stickstoffdioxid (NO₂) zeigt ein uneinheitliches Bild. An den meisten Standorten mit mässiger Belastung setzte sich die Verbesserung kontinuierlich fort. Nach der Stagnation der Jahresmittelwerte für NO₂ und Stickstoffmonoxid (NO) von 2008 bis 2013 an stark verkehrsbelasteten Standorten setzt sich im Jahr 2023 auch hier ein Rückgang mehrheitlich fort.
Bei der Beurteilung der NO₂-Belastungen stützt sich OSTLUFT – zusätzlich zu den automatischen Messstationen – auf ein dichtes Netz von NO₂-Passivsammlern. Dies erlaubt eine detaillierte Raumabdeckung. Die Passivsammlerresultate unterstreichen die Bedeutung der Verkehrs- und Siedlungsdichte auf die NO₂-Belastung im gesamten OSTLUFT-Gebiet. Von hohen NO₂-Belastungen sind hauptsächlich städtische Gebiete entlang von stark befahrenen Verkehrsachsen sowie Autobahnstandorte betroffen: so im Grossraum Zürich-Winterthur sowie in den Städten St. Gallen und Frauenfeld. Dabei spielt auch die Bebauung eine wichtige Rolle. Geschlossene Bebauung erschwert die Durchlüftung, sodass sich die Autoabgase unmittelbar entlang der Strasse anreichern und zu übermässigen Luftbelastungen führen können.
Die Häufigkeit von Tagen mit Grenzwertüberschreitungen an diesen Verkehrsstandorten ist, wie beim Feinstaub, auch von der Häufigkeit und Stärke von Inversionen abhängig. 2023 blieben die NO₂-Jahresmittelwerte an den Hintergrundstandorten und den verkehrsbeeinflussten Messstandorten etwa gleich wie im Vorjahr. Der Tagesmittel-Grenzwert von 80 µg/m3 wurde 2023 an allen Standorten eingehalten.
An Standorten ohne direkten Verkehrseinfluss unterscheidet sich die Belastung je nach Siedlungsdichte und Höhenlage. Während der Jahresdurchschnitt auf dem Land über 700 m ü. M. bei etwa 4 µg/m3 liegt, ist die Grundbelastung im Zentrum der Stadt Zürich (400 m ü. M.) rund zwei- bis fünfmal höher.
Tabellen Entwicklung der NO₂-Jahreswerte (Messstationen)
Zusammenstellung der NO₂-Jahresmittelwerte (Passivsammler)
Ozon (O₃)
Das Sommerhalbjahr 2023 war eines der wärmsten seit Jahren. Die langanhaltenden Hitzeperioden wirkten sich auf die Ozonbelastung im OSTLUFT-Gebiet aus. So waren Überschreitungen ...
Mehr erfahrenOzon (O₃)
Das Sommerhalbjahr 2023 war eines der wärmsten seit Jahren. Die langanhaltenden Hitzeperioden wirkten sich auf die Ozonbelastung im OSTLUFT-Gebiet aus. So waren Überschreitungen des Stundenmittel-Grenzwertes wiederum deutlich häufiger als in den Vorjahren.
Während hochsommerlicher Wetterlagen wird in der Luft viel Ozon aus Stickstoffdioxid und weiteren Luftschadstoffen gebildet. Bei sonnigen Schönwetterphasen steigt die nachmittägliche Ozonbelastung von Tag zu Tag an und überschreitet rasch grossflächig den Stundenmittel-Grenzwert von 120 µg/m3. Die höchsten Ozonstundenmittelwerte bis 191 µg/m3 wurden an den nicht unmittelbar verkehrsexponierten Stationen im Grossraum Zürich gemessen. In der übrigen Ostschweiz blieben die maximalen Stundenmittel höchstens bei 172 µg/m3. Die Spannweite der Ozonbelastung an den verschiedenen Standorten in den tieferen Lagen wird immer schmäler. An den höher gelegenen Standorten in Siedlungsnähe wie Heubeeribüel über Zürich, Stuelegg oberhalb von St. Gallen sowie Wald Höhenklinik wurden mit weit über 300 Stunden die meisten Überschreitungen des Stundenmittel-Grenzwertes registriert.
An verkehrsnahen und stark frequentierten Messstationen in Zürich, Opfikon, St. Gallen und Chur waren – im Vergleich zu den Höhenlagen und den nicht unmittelbar verkehrsexponierten Standorten – deutlich weniger Stunden mit Überschreitungen der Grenzwerte für Ozon zu verzeichnen. Typisch an diesen Stationen ist die Luftbelastung durch Autoabgase. Das vor Ort vorhandene Ozon wird durch chemische Reaktionen mit den frischen Autoabgasen aus dem Auspuff kurzfristig abgebaut. Dabei entsteht aus dem Stickstoffmonoxid (NO) der Autoabgase Stickstoffdioxid (NO2) und andere kritische stickstoffhaltige Verbindungen. Das NO2 treibt abseits des Entstehungsorts die Ozonbildung wiederum an.
Ammoniak (NH₃)
Die Belastung der Luft mit Ammoniak (NH3) bewegt sich seit zwanzig Jahren auf hohem Niveau ohne einheitliche Tendenz. Das meiste NH3 stammt aus der intensiven Tierhaltung. In der ...
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Die Belastung der Luft mit Ammoniak (NH3) bewegt sich seit zwanzig Jahren auf hohem Niveau ohne einheitliche Tendenz. Das meiste NH3 stammt aus der intensiven Tierhaltung. In der Stadt ist der Strassenverkehr die Hauptquelle. Ammoniak trägt zur Feinstaubbildung in der Luft bei und ist Hauptbestandteil von übermässigen Stickstoffeinträgen aus der Luft in empfindliche Ökosysteme.
Die gemessene Ammoniakbelastung in den ländlichen Gebieten ist direkt abhängig von der Intensität der landwirtschaftlichen Nutzung respektive der Nutztierdichte. NH3 wird vor allem aus den Ausscheidungen der Tiere im Stall sowie bei der Lagerung und Ausbringung von organischem Hofdünger freigesetzt. Sowohl die räumlich und zeitlich stark variablen NH3-Verluste als auch der grosse Einfluss der Witterung sorgen dafür, dass die Belastungen zwischen den Jahren und im Jahresverlauf stark schwanken. Am tiefsten sind sie im Winterhalbjahr, wenn kaum Hofdünger (Gülle) ausgetragen wird und tiefe Temperaturen die Verluste von NH3 aus dem Stallbereich und bei der Lagerung minimieren. Erhöhte Belastungen im Frühjahr und Herbst hängen mit dem häufigen Ausbringen von Hofdünger zusammen. Im Sommer werden die NH3-Verluste durch hohe Temperaturen verstärkt (siehe OSTLUFT Jahresbericht 2021 – fünfter Fokusbeitrag «Witterungseinfluss»).
Nachdem 2018 in zwei Naturschutzgebieten unerwartet hohe Ammoniakkonzentrationen gemessen wurden, beprobt OSTLUFT seit 2019 zusätzliche Standorte in Naturschutzgebieten. Neben dem Naturschutzgebiet Bannriet in Altstätten (SG) mit einem Jahresmittelwert von 7.2 µg/m3 werden in weiteren Naturschutzgebieten in der Ostschweiz auch im Messjahr 2023 Ammoniakbelastungen festgestellt, die über dem für höhere Pflanzen verträglichen Niveau (Critical Level) von 3 µg/m3 liegen. Es ist ein deutlicher Unterschied von Gebieten mit hoher Viehdichte und Gebieten mit mehr Acker- und Gemüsebau festzustellen.
In Bezug auf NH3 ist das Critical Level das direkte Bezugsmass zur Beurteilung von Übermässigkeit. Für das Ökosystem ist aber der Gesamt-Stickstoffeintrag ausschlaggebend, beurteilt als Critical Loads für Stickstoff. Man kann davon ausgehen, dass bei einer Überschreitung des Critical Levels die Critical Loads sicher überschritten sind, jedoch stellt eine Unterschreitung des Critical Levels noch keine Garantie für eine Unterschreitung des Critical Loads dar. Messergebnisse zum Gesamt-Stickstoffeintrag werden im folgenden Abschnitt «Stickstoff-Deposition» dargestellt.
Zusammenstellung der Ammoniak-Jahresmittelwerte (Passivsammler)
Stickstoff-Deposition
Stickstoff als wichtiger Nährstoff für Lebewesen ist in der Natur Mangelware. Naturnahe Ökosysteme sind an diese Gegebenheit angepasst. Erst seit gut hundert Jahren hat der Mensch ...
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Ökosysteme sind an diese Gegebenheit angepasst. Erst seit gut hundert Jahren hat der Mensch durch die Industrialisierung und die Herstellung von Kunstdünger seine Abhängigkeit von der Mangelware Stickstoff durchbrochen. Dies hat Folgen für naturnahe Ökosysteme, die durch übermässigen Stickstoffeintrag aus der Luft belastetet werden. Nach wiederholten Projektmessungen im Fünfjahres-Rhythmus hat OSTLUFT 2021 die jährliche Messung der Stickstoff-Deposition an sieben Standorten ins Messkonzept aufgenommen.
Die Stickstoff-Deposition (Stickstoff-Gesamteintrag aus der Luft) umfasst den Eintrag von oxidierten und reduzierten Stickstoffverbindungen. Oxidierte Stickstoffverbindungen in der Luft wie Stickstoffdioxid und Nitrat stammen in der Schweiz hauptsächlich aus der Verbrennung fossiler Energieträger für Wärme und Mobilität. Reduzierte Stickstoffverbindungen in der Luft wie Ammoniak und Ammonium stammen hingegen über 90 Prozent aus der Landwirtschaft. Diese reaktiven Stickstoffverbindungen werden hauptsächlich als Gase (Ammoniak, Stickstoffdioxid) und in Feinstaubpartikeln sowie im Regenwasser (Ammonium, Nitrat) in empfindliche Ökosysteme eingetragen.
Die Bandbreite der Stickstoffeinträge aus der Luft ist mit 10 bis 55 kg Stickstoff pro Hektare und Jahr sehr gross. Unterschiede ergeben sich vor allem aus dem Anteil des Ammoniak-Stickstoffs (NH3-N), der auf die Pflanzen einwirkt. Entsprechend treten hohe Belastungen besonders in den Gebieten mit intensiver Viehwirtschaft auf. Geringer ist die Belastung in Gebieten mit mehr Acker- und Gemüsebau. An fast allen untersuchten Naturschutzflächen und extensiv bewirtschafteten Standorten werden die Critical Loads für empfindliche Ökosysteme aber überschritten.
Der übermässige Stickstoffaustrag aus der Luft hat für viele Ökosysteme gravierende Folgen. Empfindliche Ökosysteme sind zum Beispiel Wälder, Trockenrasen und andere artenreiche Naturwiesen, Hochmoore, Flachmoore, Heidelandschaften und nährstoffarme Still- und Fliessgewässer. Diese auf wenig verfügbaren Stickstoff angepassten Systeme werden durch den Stickstoffeintrag überdüngt. Dabei kommt es zu veränderten Lebensbedingungen der Pflanzen und Tiere, sodass Arten verdrängt werden. Der übermässige Stickstoffeintrag aus der Luft ist damit für eine Verringerung der Artenvielfalt verantwortlich und hat einen direkten Einfluss auf die Biodiversität.
Bei der Umwandlung von reaktivem Stickstoff im Boden kann es zu Bodenversauerung kommen, was unter anderem Wälder anfälliger gegen Stürme, Schädlinge und Trockenheit machen kann. Die Belastung der Wälder kann mit den Messungen im Freiland und den Depositionskennzahlen für den Wald abgeleitet werden. Die einundzwanzigjährige Messreihe auf dem Bachtel kann auch für die Berechnung des Stickstoffeintrags in den angrenzenden Wald genutzt werden. Seit Messbeginn wird hier der Critical Load für Wald andauernd überschritten, ohne eine klare Verbesserungstendenz.