Wie hoch ist die Belastung durch Ultrafeine Partikel im Hafen Romanshorn?
Luftverschmutzung ist eine nachweisliche Ursache für Krankheiten und vorzeitige Todesfälle [1]. Die grösste Gefahr geht von übermässiger Belastung durch Feinstaub und Ozon aus [2]. Zudem können Ultrafeine Partikel über die Atemwege ins Blut übertreten und sich so im ganzen Körper verteilen. Atemwegsprobleme, Herz-/Kreislaufbeschwerden und -erkrankungen sowie verringerte Immunabwehr und eine Beeinträchtigung des Nervensystems können die Folgen sein [8].
Dieselmotoren sind unter anderen verantwortlich für die Bildung und den Ausstoss von Feinstaub, Russ und Partikeln. Dank Dieselpartikelfilter (DPF) können diese Emissionen reduziert werden. Bei Lastwagen und Baumaschinen gehören DPF heute zum Standard.
Neue Dieselmotoren in gewerbsmässig eingesetzten Schiffen müssen gemäss der Bundesrats-Verordnung zu den Abgasvorschriften für Schiffsmotoren seit dem 1. Juni 2007 obligatorisch mit einem DPF ausgestattet werden. Dies gilt für Antriebsmotoren wie für Stromgeneratoren. Die Antwort auf die gesetzliche Grundlage ist, dass gemäss einer Erhebung der Thurgauer Seepolizei im Jahr 2015 (praktisch) keine Schweizer Schiffe den Vorschriften entsprachen. Einzig die Schiffe im Zuständigkeitsbereich der Stadt Konstanz sind mit DPF ausgerüstet [3].
In der Zwischenzeit wurden auch bei der Schweizerischen Bodenseeschifffahrt (SBS) und bei der Schweizerischen Schifffahrtsgesellschaft Untersee und Rhein (URh) einige Schiffe neumotorisiert und mit DPF ausgestattet oder bestehende Motoren mit DPF nachgerüstet. So sind bei den vier im Linienverkehr eingesetzten Schiffen der URh sowohl die Antriebsmotoren als auch die Stromgeneratoren mit DPF ausgerüstet. Um den verbleibenden Handlungsbedarf aufzuzeigen, hat OSTLUFT im Sommer 2023 eine Messkampagne im Hafen von Romanshorn durchgeführt.
Bericht
Messorte und verwendete Geräte
Zwischen Ende Juni und Anfang September 2023 wurde rund um den Hafen Romanshorn an vier Standorten die Belastung durch Ultrafeine Partikel gemessen. Am Standort Schlossbergstrasse wurde von Ende Juni bis Ende Juli die Hintergrundbelastung aufgezeichnet. Die anderen drei Standorte befanden sich direkt am Hafenbecken (Fähranleger, Platz 6 und Platz 8, Abb. 1).
Für die Messungen sind Umweltboxen zum Einsatz gekommen, die jeweils mit einem LDSA-Sensor (Lung Deposited Surface Area, lungendeponierbare Fläche [4]) ausgerüstet sind. Damit wurde im 10-Sekunden-Intervall die LDSA-Belastung gemessen und die Partikelanzahl (Particle Number [PN]) berechnet. Die gemessenen Partikel haben einen Durchmesser zwischen 10 und 300 Nanometer. Partikel mit einem Durchmesser zwischen 10 und 100 Nanometer werden Ultrafeine Partikel (UFP) genannt. Da mindestens 80 % (eigene Messungen und [5]) der gemessenen Partikel in diesem Bereich liegen, sprechen wir im Folgenden von Ultrafeinen Partikel.
Im Rahmen eines weiteren OSTLUFT Projekts wurden zwischen Januar 2022 und Dezember 2023 im Hafen von Arbon umfangreiche Luftschadstoffmessungen durchgeführt. Diese Werte wurden bei einzelnen Auswertungen hinzugezogen (abgekürzt mit ARBM).
Messresultate Ultrafeine Partikel
Die Messungen in Romanshorn zeigen eine relativ konstante Hintergrundbelastung der Ultrafeinen Partikel mit Partikelanzahlkonzentration von etwa 6'000 #/cm³ (Abb. 2). Die Hintergrundbelastung weist nur geringe Unterschiede im Tagesverlauf auf. Insgesamt ist sie vergleichbar mit einer Hintergrundbelastung der Ultrafeinen Partikel, wie sie in der Schweiz in mässig belasteten Innenstädten gemessen wird [6].
Während Ein- und Ausfahrt der Motorfähren, sowie der Zeit am Anleger steigen die Partikelanzahlkonzentrationen der UFP stark an. Liegt die Fähre Friedrichshafen im Becken, werden Höchstwerte von etwa 11'000 #/cm³ gemessen. Liegt die Fähre Romanshorn am Anleger, steigen die Höchstwerte auf bis zu 27'000 #/cm³ an. Gemäss den Unterlagen der Abteilung Öffentlicher Verkehr Kanton Thurgau verfügt die Fähre Friedrichshafen über einen DPF, die Fähre Romanshorn noch nicht. Dies kann durch diese Messung bestätigt werden.
Neben den Motorfähren verkehren in Romanshorn im Sommer mehrere Passagierschiffe. Auch hier ist zu beobachten, dass bei Manövern im Hafen kurzzeitig hohe Partikelanzahlkonzentration der UFP auftreten. Da die einzelnen Schiffe nur ein bis zweimal pro Tag aus-/einfahren, lässt sich hier kein eindeutiges Bild jedes einzelnen Passagierschiffs darstellen.
Die gemessene Partikelanzahlkonzentration der UFP am Standort Platz 6 zeigen, dass nicht nur Dieselmotoren und Stromgeneratoren der Schiffe zur Belastung mit Partikeln im Hafen Romanshorn beitragen. Anhand der Auswertung der Messdaten und der öffentlich verfügbaren Webcam-Bilder vom Hafen Romanshorn treten hohe Partikelanzahlkonzentrationen auch durch vermehrte Aktivitäten auf den nahegelegenen Bahngleisen auf oder durch vorbeifahrende Fahrzeuge beim Quai.
Grundsätzlich zeigen die Messungen weiter, dass die Partikelanzahlkonzentration der UFP stark durch die Wind- und Niederschlagsbedingungen beeinflusst werden können.
Fazit und Ausblick
Ultrafeine Partikel können über die Atemwege ins Blut übertreten und sich so im ganzen Körper verteilen. Atemwegsprobleme, Herz-/Kreislaufbeschwerden und -erkrankungen sowie verringerte Immunabwehr und eine Beeinträchtigung des Nervensystems können die Folgen sein [8]. Darum ist es wichtig, den Ausstoss dieser Partikel soweit möglich zu vermeiden. Die Messungen der UFP im Hafen Romanshorn im Sommer 2023 haben gezeigt, dass eine relativ stabile Hintergrundbelastung vorliegt. Durch die Aktivitäten im Hafen können kurzzeitig massiv höhere Partikelanzahlkonzentrationen der UFP auftreten. Eine erhöhte Partikelanzahlkonzentration ist klar erkennbar, vor allem, wenn eine der beiden Fähren am Anleger ist. Erwartungsgemäss gibt es bei den Partikelanzahlkonzentrationen der UFP sehr grosse Schwankungen, die zeitlich jedoch nur sehr kurz auftreten. Zudem beeinflussen Wind- und Niederschlagsbedingungen die Belastung durch Ultrafeine Partikel wesentlich.
Fähren und Schiffe mit Dieselpartikelfilter (DPF) stossen grundsätzlich und insbesondere bei hochtourigen Manövern, welche die Motoren stark belasten, deutlich weniger Partikel aus. Ziel gemäss Massnahmenplan Lufthygiene Kanton Thurgau (Massnahme V4) ist es, dass zeitnah alle gewerbsmässig eingesetzten Verkehrsschiffe auf dem Bodensee für alle Antriebsmotoren und Stromgeneratoren mit Dieselpartikelfilter ausgerüstet sein werden (www.umwelt.tg.ch).
Dank: OSTLUFT dankt der Schweizerischen Bodenseeschifffahrt, der katholischen Kirche Romanshorn sowie der Stadt Arbon für die freundliche Unterstützung bei den Messungen.
Referenzen
[1] Fokusartikel TITEL, digitaler Jahresbericht OSTLUFT, 2023
[2] bafu.admin.ch, 02.02.2024, Auswirkungen der Luftverschmutzung auf die Gesundheit (admin.ch)
[3] Massnahmenplan Lufthygiene, Kanton Thurgau 2021-2030, Aktualisierung 2020, V4 Reduktion des Russpartikelausstosses der konzessionierten Fahrgastschiffe der SBS und URh, 2020
[4] OSTLUFT Jahresbericht, Lung Deposited Surface Area (LDSA) – Messungen als Wirkungsgrösse für Ultrafeine Partikel, 2020
[5] Umweltbundesamt Österreich, REPORT, REP-0656, Wien, 2018
[6] bafu.admin.ch, 20.02.2024, NABEL, Partikelmessungen im NABEL – Messbericht 2022
[7] OSTLUFT Jahresbericht Fokus Ultrafeine Partikel als neue Messgrösse, 2020
[8] bafu.admin.ch, 02.02.2024, Feinstaub (admin.ch)