EKL empfiehlt zum Schutz der Gesundheit eine Anpassung der Immissionsgrenzwerte
Die derzeit in der Luftreinhalte-Verordnung (LRV) festgelegten Immissionsgrenzwerte (IGW) entsprechen weitgehend den Richtwerten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) aus dem Jahr 2005, welche auf dem damaligen Wissensstand beruhen. Im Jahre 2013 hat die Eidgenössische Kommission für Lufthygiene (EKL) in ihrem Bericht «Feinstaub in der Schweiz 2013» letztmals die Immissionsgrenzwerte der LRV bewertet. Die nationale und internationale Forschung der letzten 20 Jahre belegt nun gesundheitliche Beeinträchtigungen auch bei deutlich tieferen Konzentrationen von Luftschadstoffen. Die WHO hat am 22.09.2021 eine neue Empfehlung zur Luftqualität veröffentlicht, in welcher der aktuelle Wissensstand dargelegt wird. Darin werden die bisherigen Richtwerte deutlich verschärft. Die EKL hat diese Empfehlung fachlich beurteilt. In ihrem neusten Bericht zur Luftqualität empfiehlt die EKL, dass die Schweizer Immissionsgrenzwerte angepasst werden sollen, um nach heutigem Wissensstand den Schutzanforderungen des Umweltschutzgesetzes zu entsprechen.
Das Schweizer Umweltschutzgesetz fordert Immissionsgrenzwerte und Luftreinhaltemassnahmen, welche dem Schutz der Umwelt und der Gesundheit der gesamten Bevölkerung - insbesondere Personengruppen mit erhöhter Empfindlichkeit - gerecht werden. Die EKL empfiehlt unter Berücksichtigung der WHO-Richtwerte deshalb für sechs Luftschadstoffe (SO2, NO2, CO, O3, PM10, PM2.5) die Anpassung der LRV und damit eine Senkung bzw. Ergänzung der Immissionsgrenzwerte. Zwei derzeit nicht mehr relevante Immissionsgrenzwerte zu Kurzzeitbelastungsspitzen von SO2 und NO2 sollen gestrichen werden.
Empfehlungen der EKL
Die EKL empfiehlt dem Bundesrat, die Immissionsgrenzwerte in Anhang 7 der LRV gemäss Tabelle 1 anzupassen, damit die Immissionsgrenzwerte auch in Zukunft den Anforderungen des Umweltschutzgesetzes entsprechen. Die übrigen Immissionsgrenzwerte sollen unverändert beibehalten werden. Die EKL verzichtet im Moment darauf, Immissionsgrenzwerte für weitere, bisher nicht geregelte Luftschadstoffe zu empfehlen. Sie unterstützt aber die in den WHO-Luftqualitätsleitlinien 2021 formulierten Handlungsempfehlungen für Russ und ultrafeine Partikel (UFP). Deren Emissionen müssen so weit wie möglich vermieden werden.
Tabelle 1: Empfelungen der EKL zur Anpassung der IGW in der LRV. Sie stützen sich weitgehend auf die Richtwerte der WHO-Luftqualitätsleitlienien 2021 (AQG) und die umfangreichen zugehörigen Publikationen und weichen nur in begründeten Ausnahmenfällen davon ab.
Schadstoff | Mittelungszeit | WHO AQG 2021 | LRV IGW derzeit | Empfehlung EKL 2023 |
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Schwefeldioxid (SO2), µg/m3 (siehe Kapitel 8) | Jahresmittelwert und neu Mittelwert über das Winterhalbjahr | – | 30a | 20b |
95 % der ½-h-Mittelwerte eines Jahres | – | 100 | Streichen | |
24-h-Mittelwert | 40c | 100d | 40c | |
Stickstoffdioxid (NO2), µg/m3 (siehe Kapitel 7) | Jahresmittelwert | 10 | 30 | 10 |
95 % der ½-h-Mittelwerte eines Jahres | – | 100 | streichen | |
24-h-Mittelwert | 25c | 80d | 25c | |
Kohlenmonoxid (CO), mg/m3 (siehe Kapitel 9) | 24-h-Mittelwert | 4c | 8d | 4c |
Ozon (O3), µg/m3 (siehe Kapitel 6) | Sommersaisone | 60 | – | 60 |
98 % der ½-h-Mittelwerte eines Jahres | – | 100 | 100 | |
8-h-Mittelwert | 100c | – | – | |
1-h-Mittelwert | – | 120d | 120d | |
Schwebestaub / Feinstaub (PM10), µg/m3 (siehe Kapitel 4) | Jahresmittelwert | 15 | 20 | 15 |
24-h-Mittelwert | 45c | 50c | 45c | |
Schwebestaub / Feinstaub (PM2.5), µg/m3 (siehe Kapitel 5) | Jahresmittelwert | 5 | 10 | 5 |
24-h-Mittelwert | 15c | – | 15c |
a Immissionsgrenzwert, welcher auch den Schutz von Tieren und Pflanzen, ihren Lebensgemeinschaften und Lebensräumen nach USG Art. 1 Abs. 1 einschliesst und dem Stand des Wissens zum Zeitpunkt des ERlasses der Luftreinhalte-Verordnung im Jahre 1985 entspricht.
b Wert der WHO-Luftqualitätsleitlinien 2000 (WHO, 2000), welcher zum Schutz von Wäldern und weiteren naturnahen Ökosysemen festgelegt wurde. Er gilt als Jahresmittelwert sowie auch für das Winterhalbjahr. (Oktober-März)
c 99. Perzentil (d.h. 3 Überschreitungen pro Jahr sind zulässig).
d Darf höchstens einmal pro Jahr überschritten werden.
e Durchschnitt der maximalen täglichen 8-h-Mittelwerte der Ozon-Konzentration in den sechs aufeinanderfolgenden Monaten mit der höchsten Ozon-Konzentration im Sechsmonatsdurchschnitt. Für die Schweiz entspricht dies April bis September.
Die Empfehlung der EKL deckt sich weitgehend mit den wissenschaftlich breit abgestützten Luftqualitäts-Richtwerten der WHO. Die flächendeckende Einhaltung der verschärften Immissionsgrenzwerte erfordert entsprechend auch in Zukunft eine nachhaltige Reduktion der Emissionen. Nationale Massnahmen und die kantonalen Massnahmenpläne zur Emissionsminderung sollen überprüft und konsequent umgesetzt werden. Ebenso soll die internationale Zusammenarbeit in der Luftreinhaltepolitik fortgesetzt und gestärkt werden, da Luftschadstoffe auch über Grenzen hinweg transportiert werden. Der Entscheid der EU vom 12. September 2023, die WHO-Richtwerte ab 2035 in ihrer Direktive ebenfalls zu übernehmen, ist ein wichtiges Zeichen.
Auswirkungen für OSTLUFT
Durch den Vorschlag der EKL an den Bundesrat, die Immissionsgrenzwerte zu senken, werden die Massnahmen zur Luftreinhaltung wieder aktueller. Am Beispiel von NO2 zeigt sich, dass durch gezielte Massnahmen in den vergangenen Jahren die Belastung unter den aktuell geltenden Immissionsgrenzwert reduziert werden konnte. Der neue Vorschlag für den Grenzwert ist jedoch deutlich strenger und falls dieser übernommen wird, sind erneut Anstrengungen nötig, die Belastungen flächendeckend unter den Grenzwert zu bringen. Die OSTLUFT-Partner werden weiterhin gemeinsam dafür sorgen, die Luftqualität im Sinne der gesetzlichen Vorgaben zu verbessern.