Luftbelastung wird durch Emissionen verursacht – die Witterung beeinflusst deren Auswirkung
Menschengemachte Schadstoffeinträge in die Luft (‘Emissionen’) sind für die Luftbelastung (‘Immissionen’) in der Schweiz ausschlaggebend. Langzeitmessreihen von Immissionen dienen unter anderem dazu, die Entwicklung der Emissionen zu verfolgen und die Wirkung von Luftreinhalte-Massnahmen nachzuweisen. Änderungen in den Schadstoffemissionen sind oft nicht direkt in der Immissionsbelastung erkennbar. Ein Hauptgrund dafür ist die witterungsbedingte Verfrachtung, Verdünnung und Veränderung (‘Transmission’) der ausgestossenen Schadstoffe. Luftschadstoffe können durch Niederschlag ausgewaschen oder durch chemische Prozesse verändert und aus der Luft entfernt werden. Zudem sind in vielen Fällen auch die Emissionen von der Witterung abhängig. Diese Zusammenhänge müssen bei Analysen von Immissionsverläufen berücksichtigt werden.
Der vorliegende Beitrag ist der dritte Teil einer Reihe in den OSTLUFT Jahresberichten, die den Einfluss der Witterung auf die Luftqualität verdeutlichen soll (siehe auch Wechselspiel zwischen Witterung und Luftbelastung und Einfluss der Witterung auf die Verfrachtung von Luftschadstoffen).
Die Überlagerung aller Vorgänge führt zu einem variablen Zeitverlauf der Luftbelastung
In vorgängigen Fokusartikel in den Jahresberichten 2019 und 2020 wurde beispielhaft erläutert, wie die Witterung die Emissionen beeinflussen kann und die Verdünnung der Schadstoffe in der Luft behindert oder fördert. Zum Beispiel wird im Winter vermehrt geheizt und dementsprechend auch mehr Luftschadstoffe ausgestossen. Je nachdem, ob der Winter kalt oder mild verläuft, sind die Emissionen von Jahr zu Jahr unterschiedlich. Gleichzeitig werden Luftschadstoffe während kalten, stabilen Wetterlagen schlechter in der Atmosphäre verteilt und sammeln sich verstärkt in Quellennähe an. Die Witterung trägt zudem zur chemischen Umwandlung von Luftschadstoffen bei. All diese witterungsbedingten Unterschiede treten zwischen den Jahren, innerhalb eines Jahres und zwischen Tag und Nacht auf. Zusätzlich ändert sich die Aktivität von Schadstoffquellen wie zum Beispiel die Verkehrsaktivität kurzfristig (Tages- und Wochengänge) sowie langfristig (über viele Jahre). Durch Verbesserungen in der Motorentechnik und Abgasreinigung von Fahrzeugen wurde deren Emissionsverhalten in den vergangenen Jahrzehnten verändert. All diese sich überlagernden Prozesse verursachen starke zeitliche Schwankungen der Luftbelastung.
Interpretation der Luftbelastung erfordert Fachwissen
Neben der Beurteilung der gemessenen Luftbelastung im Hinblick auf deren schädliche Gesundheits- und Umweltauswirkungen nutzen die Lufthygiene-Fachleute die langjährigen Messreihen zur Erfolgskontrolle. Dabei leiten sie aus den Immissionsverläufen ab, inwieweit Massnahmen zur Minderung von Emissionen wirksam geworden sind. Diese Analyse trennt idealerweise die Auswirkungen der Witterungseinflüsse im gemessenen Immissions-Zeitverlauf vom Langzeittrend der Emissionsentwicklung. Für solche Betrachtungen ist vertieftes, methodisches und fachliches Wissen notwendig. Im Folgenden wird auf einige Fallbeispiele eingegangen.
Vergleichbarkeit der Ozon Spitzenwerte
Ein einfacher Fall, wie man verschiedene Jahre untereinander besser vergleichbar macht, ist, die Messwerte auf gleiche massgebliche Bedingungen umzurechnen. Ein Beispiel ist die stark temperaturabhängige Entwicklung der Spitzenbelastung mit Ozon ("Sommersmog"). Die Messwerte werden dabei pro Jahr immer auf eine Standardtemperatur von 30°C bezogen. So verringert sich die Variabilität von Jahr zu Jahr und ein zeitlicher Trend in der Ozonbildung ist besser ableitbar. Die Methode ist im OSTLUFT Jahresbericht 2013 (Seite 28-31) beschrieben.
Vergleich des Verlaufs der maximalen Ozon-Stundenmittelwerte pro Jahr
gemessen und normiert auf 30°C am Standort Zürich Heubeeribüel
[µg/m³]
Witterungsnormierung auf die Tagestemperatur von 30°C (maximales Stundenmittel)
(Details siehe OSTLUFT Jahresbericht 2013 S. 30)
Sich überlagernde Einflüsse in Stickstoffdioxid-Zeitreihen
Bei der Datenanalyse von Immissionsverläufen können verschiedene, sich überlagernde zeitliche Einflüsse voneinander getrennt werden. Im vorliegenden Beispiel geschieht dies für die Stickstoffdioxid-Belastung statistisch, indem die Messwerte in die Beiträge der Tages-, Wochen- und Jahresgänge sowie die Langzeitentwicklung zerlegt werden. Die Abbildungen zeigen für Opfikon – Balsberg (ein stark verkehrsgeprägter Standort nah der Autobahn) diese Beiträge im Mittel pro Jahr (seit 2008; Jahr durch die Farbe gekennzeichnet - je dunkler, desto aktueller). Sie ergeben sich einerseits aus der Dynamik der Emissionen selber, wie zu Beispiel durch unterschiedlichen Verkehrsaufkommen im Tages- und Wochengang, und andererseits aufgrund von den verschiedenen Witterungseinflüssen, wie zum Beispiel durch die schlechtere Durchmischung der Luft im Winter. Der Langzeittrend wird in dieser Betrachtungsweise von kurzfristigen, schwankenden Einflüssen getrennt und kann damit eher als ein Mass für die Entwicklung der Emissionen interpretiert werden.
Link zur Methodik: Forecasting Time Series with Multiple Seasonal, Ajeng Prastiwi, 2019
Statistische Analyse zum Langzeittrend von reduziertem Stickstoff
Reduzierter Stickstoff in der Luft (NHx = Summe aus gasförmigem Ammoniak und Ammonium im Feinstaub) stammt vor allem aus der landwirtschaftlichen Tierhaltung. Die Emissionen in Form von Ammoniak sind sehr stark von der Witterung abhängig. Deshalb schwanken die Jahresmittelwerte von Jahr zu Jahr erheblich, was Trendanalysen erschwert. Eine Möglichkeit, trotzdem Schlussfolgerungen zur Emissionsentwicklung aus den Messwerten zu ziehen, ist ein Modell aufzustellen, in welches auch witterungsbezogene Messgrössen eingehen, um die gemessenen Werte möglichst gut zu erklären. In vorliegendem Beispiel wurde dies mit einer statistischen Methode für eine Messstelle bei Kappel am Albis für eine Zeitreihe von 2013 bis 2019 durchgeführt. Mit dem Modell kann abgeleitet werden, welcher Anteil der Langzeittrend unabhängig von der Witterung an den Messwerten hat. So ist zu erkennen, dass die Messwerte vor allem witterungsbedingt stark schwanken, während das Modell über die sieben Jahre weder eine Zu- noch eine Abnahme der Belastung ausweist.
Links zu wissenschaftlichen Publikationen: