NO₂-Passivsammler: Einsatz, Entwicklung und Qualitätssicherung
Der motorisierte Strassenverkehr ist eine der Hauptquellen für Stickoxide wozu auch Stickstoffdioxid (NO₂) zählt. Dadurch ergibt sich je nach Verkehrsdichte und Abstand zu den Strassen eine grosse räumliche Variabilität in der NO₂-Belastung. Um diese Variabilität besser abzubilden, setzt OSTLUFT neben den 15 automatischen Messstationen, die Echtzeit-Daten liefern, eine grössere Anzahl NO₂-Passivsammler zur Überwachung der Luftqualität ein.
NO₂-Passivsammler als Ergänzung zu den Messstationen
Die automatischen Messstationen erfassen die Luftqualität und die Belastung durch NO₂, Feinstaub, Russ und Ozon kontinuierlich. Dabei liefern sie Daten in Echtzeit mit grosser zeitlicher Auflösung und mit hoher Genauigkeit. Die empfindlichen Messgeräte werden in einem klimatisierten Container mit Stromanschluss betrieben. Diese benötigen einen geeigneten Standplatz entsprechend der Fragestellung, die mit der Messstation untersucht werden soll. Zudem verlangen die Messgeräte einen grossen Betreuungsaufwand. Trotz laufender Optimierung im Betrieb sind die Luftmessstationen entsprechend ressourcen- und kostenaufwändig.
Als günstige, einfachere Alternative respektive als Ergänzung eignen sich NO₂-Passivsammler. In diesen wird das NO₂ aus der Luft an einer chemischen Substanz (Sorbens), die auf einem feinmaschigen Metallnetz aufgebracht ist, gebunden. Das präparierte Metallnetz wird in einer Deckkappe auf einem Acrylglas-Röhrchen platziert. Für die Lagerung und den Transport sind die Röhrchen zusätzlich mit einer Verschlusskappe verschlossen. Die einseitig offenen Röhrchen werden in einer Wetterschutzhaube aufgehängt. Während der Expositionszeit von zwei oder vier Wochen diffundiert das NO₂ aus der Aussenluft durch das Röhrchen und wird an das Sorbens gebunden. Danach wird das Röhrchen mit der Verschlusskappe versehen an ein Labor zur Analyse eingeschickt, wo die Menge des gebundenen NO₂ bestimmt wird. Daraus lässt sich die durchschnittliche Konzentration von NO₂ in der Luft am Messstandort berechnen.
Einsatzmöglichkeiten: Vom Schulhausbau bis zur Modellvalidierung
Die Luftbelastung mit Stickstoffdioxid ist wesentlich geprägt durch die lokalen Emissionen am und in der Nähe des Messortes und kann kleinräumig stark variieren. So fällt die NO₂-Konzentration an stark befahrenen Verkehrsachsen meist hoch aus, nimmt jedoch mit der Distanz zur Strasse rasch ab.
Da Passivsammler günstig sind und fast überall aufgehängt werden können, ermöglichen sie eine bessere räumliche Auflösung bei der Erfassung der NO₂-Belastung. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse sind z.B. in dicht bebauten Gebieten wichtig, um ein realistisches Bild über die Exposition der Wohnbevölkerung zu erhalten. Passivsammler-Daten dienen auch zur Überprüfung von Luftschadstoffmodellen, bei denen die NO₂-Belastung flächendeckend berechnet wird. Dank dem NO₂-Passivsammlernetz steht OSTLUFT auch eine grössere Anzahl von Langzeitmessungen zur Verfügung, die die Entwicklung der NO₂-Belastung der Luft dokumentieren.
Im OSTLUFT-Gebiet werden Passivsammler unter anderem an sogenannten "Hot Spots" eingesetzt, also an Messorten, an welchen ein hohes Verkehrsaufkommen zusammen mit ungünstigen Umgebungsbedingungen wie Stau, Stop and Go-Verkehr oder geschlossene Bebauung zu erhöhten Belastungen führen. An solchen Orten fehlt meist der Platz für eine Messstation. Nützlich sind Passivsammler-Messungen auch zur Beantwortung von spezifischen lufthygienischen Fragestellungen bei Schulhaus-Neubauten, Änderungen im Verkehrsregime oder Anfragen aus der Bevölkerung sowie zur Bestimmung der Hintergrundbelastung an abgelegenen Orten. Die Passivsammler haben sich dabei in der Vergangenheit als einfache und robuste Messmethode bewährt und werden auch in Zukunft für ein breites Spektrum an Fragestellungen eingesetzt.
Vor- und Nachteile der NO₂-Passivsammler
Die Passivsammler weisen gegenüber den Messstationen verschiedene Vor- und Nachteile auf. Die Bestimmung eines Jahresmittelwerts für NO₂ ist mit den Passivsammlern wesentlich günstiger. Die Passivsammler erfordern keine Wartung und können einfach und fast überall aufgehängt werden. Damit lassen sich lokale Strukturen in der Luftbelastung gezielt abbilden.
Dagegen liefern sie keine zeitlich hochaufgelösten Werte (nur Jahresmittelwerte) und die Daten sind nicht sofort verfügbar. Deshalb ist ein Vergleich mit den Tagesmittelwerten nicht möglich. Zudem weisen die Passivsammler verschiedene Abweichungen gegenüber den Messwerten von automatischen Messgeräten auf. Bekannt sind unter anderem jahreszeitliche Unterschiede aufgrund von Lufttemperatur und Feuchte. Auch die Bauweise des Sammlers oder die Analytik im Labor kann einen Einfluss auf das Resultat haben. Deshalb braucht es eine zusätzliche Qualitätssicherung und den Abgleich mit dem Referenzverfahren.
Qualitätssicherung
Um auch bei den Passivsammlern verlässliche Messwerte garantieren zu können, sind in den Empfehlungen des Bundesamts für Umwelt und der Schweizerischen Gesellschaft der Lufthygiene Fachleute (Cercl'Air) Vergleiche zwischen Passivsammlern und Referenzmessverfahren vorgegeben. OSTLUFT führt dafür an ausgewählten Messstationen Parallel-Messungen zwischen Passivsammlern und den Messgeräten der Messstationen, die dem Referenzverfahren entsprechen, durch. Mit der Gegenüberstellung der Parallel-Messungen von Passivsammler und Referenzverfahren wird jährlich die Korrekturfunktion für die Umrechnung der Passivsammler-Jahreswerte bestimmt. Mit der Korrekturfunktion werden abschliessend alle Jahresmittelwerte der NO₂-Passivsammler auf die Referenz abgeglichen. So wird eine gute Datenqualität der Messwerte und die Vergleichbarkeit aller NO₂-Messungen von OSTLUFT sichergestellt: Die Jahresmittelwerte liegen mit wenigen Ausnahmen in einem Bereich von max. +/- 10% vom Messwert des Referenzverfahrens.
Links zu Projektberichten mit NO₂-Passivsammlern
Optimierung des Referenzbezugs der NO₂-Passivsammler (2021)
NO₂-Belastung in der Stadt St.Gallen (2018)
NO₂-Belastung in den Städten Winterthur und Rapperswil (2017)
Vergleich der NO₂-Jahresmittelwerte bei den Parallelmessungen
zwischen Passivsammlern und Refenzmethode an den OSTLUFT-Messstationen
Vergleich der Parallelmessungen über die Jahre 2014 bis 2020