Wechselspiel zwischen Witterung und Luftbelastung
Menschengemachter Luftschadstoff-Ausstoss («Emissionen») ist für die Luftbelastung («Immissionen») in der Schweiz ausschlaggebend. Witterungseinflüsse beeinflussen aber sowohl die Emissionen als auch die Immissionen.
Langzeitmessreihen von Immissionen dienen unter anderem dazu, die Entwicklung der Emissionen durch die massgeblichen Verursacher zu verfolgen und so die Wirkung von Luftreinhalte-Massnahmen zu überprüfen. Änderungen bei den Schadstoffemissionen sind allerdings oft nicht direkt bei der Immission erkennbar. Ein Hauptgrund dafür ist, dass die Verfrachtung und Veränderung («Transmission») der ausgestossenen Schadstoffe durch das Wetter stark beeinflusst wird. Das betrifft den Transport und die Verdünnung von Schadstoffen durch Thermik und Wind. Luftschadstoffe können mit dem Niederschlag ausgewaschen oder durch chemische Prozesse verändert und somit aus der Luft entfernt werden. Zudem sind in vielen Fällen die Emissionen selber direkt abhängig von der Witterung. Diese Zusammenhänge müssen daher bei Analysen der Immissionsverläufe berücksichtigt werden. Dieser Beitrag ist Auftakt einer Reihe in den OSTLUFT-Jahresberichten, die den Einfluss der Witterung auf die Luftqualität verdeutlichen soll.
Witterungsabhängige Aktivitäten und Emissionsmengen
Luftschadstoff-Emissionen entstehen in der Regel durch bestimmte Aktivitäten (z.B. Verkehrsaufkommen, beschrieben als die Menge an Fahrkilometern), die eine bestimmte Menge an Emissionen verursachen (z.B. Menge an ausgestossenen Stickoxiden pro Kilometer; man nennt dies «Emissionsfaktor»). Für eine bestimmte Verursachergruppe wird die Emission aus der Kombination aus Aktivität und Emissionsfaktor beschrieben. Aktivitäten (z.B. Heizperiode im Winter) und Emissionsfaktoren (z.B. Ammoniakemissionen aus der Rindviehhaltung) werden oftmals durch die Witterung beeinflusst und damit auch die Emissionen einer Quelle. Im Folgenden widmen wir uns zwei Beispielen von Emissionen, die durch die Witterung beeinflusst werden. Die Beispiele sind auch in den untenstehenden Grafiken veranschaulicht.
Stickoxidemissionen
Stickoxide bilden sich bei Verbrennungsprozessen aus dem Stickstoff und dem Sauerstoff der Luft. Zusätzlich wird in Brennstoffen (z. B. Heizöl) gebundener Stickstoff zu Stickoxiden umgewandelt. Die Emission von Stickoxiden ist in erster Linie durch Aktivitäten des Menschen bedingt. Hauptverursacher sind der Strassenverkehr und Feuerungsanlagen, welche zusammen mehr als 75 Prozent der Stickoxidemissionen ausmachen.
Bei Feuerungsanlagen zeigt sich deutlich der Witterungseinfluss bei der Abhängigkeit der Heizaktivität von der Aussentemperatur. Im Jahr 2019 fielen 83 Prozent der Heizaktivität im Winterhalbjahr an.
Auch Motorfahrzeuge stossen je nach Lufttemperatur unterschiedlich viel Stickoxide aus. In diesem Fall weniger durch die Aktivität, sondern vielmehr durch einen temperaturabhängigen Emissionsfaktor bei Dieselfahrzeugen. Die Automobilhersteller argumentieren, dass Dieselmotoren unterhalb definierter Temperaturen durch den Betrieb der Abgasreinigung, welche Stickoxide aus dem Abgas entfernt, Schaden nehmen könnten. Aus diesem Grund wird die Abgasnachbehandlung bei tieferen Lufttemperaturen heruntergefahren und gar abgeschaltet. Diese Praxis ist im Moment Gegenstand eines Verfahrens vor dem Europäischen Gerichtshof. Erste Dieselfahrzeuge der neuesten Abgasnorm (Euro 6d) scheinen eine geringere Temperaturabhängigkeit aufzuweisen.
Ammoniakemissionen
Ammoniak stammt zu über 90 Prozent aus der landwirtschaftlichen Tierhaltung, grösstenteils aus der Rindviehhaltung. Das Ammoniak ist in den Ausscheidungen der Tiere enthalten (Harn, Gülle, Mist). Aus diesen verflüchtigt es sich im Stallbereich, aus Güllelagern, auf der Weide sowie bei der Ausbringung von Gülle. Ein Beispiel für den Einfluss der Witterung zeigt die Ammoniakemission beim Ausbringen von Gülle, welche als Dünger auf Äcker und Wiesen eingesetzt wird. Dabei geht ein grosser Anteil des düngenden Ammoniaks in die Luft verloren. Das Ausmass des Verlusts hängt stark von der Temperatur der ausgebrachten Gülle und damit von der Lufttemperatur ab. Höhere Temperaturen führen zu einem höheren Emissionsfaktor. Auch Niederschlag und Feuchtigkeit spielen eine wichtige Rolle. Gülle lässt sich nicht das ganze Jahr über ausbringen. Sinnvollerweise wird sie in der Wachstumsperiode der Pflanzen zwischen Frühjahr und Herbst ausgebracht. Die Spannbreite der möglichen Ammoniakemissionen bei Gülleausbringung auf Grünland beträgt zum Beispiel für die Jahre 2014 und 2018 monatsgemittelt mehr als einen Faktor 2.5 zwischen Winter und Sommer. Zudem kann auch im gleichen Monat – je nach Wetter – von Tag zu Tag ein sehr grosser Unterschied in den Emissionen auftreten.