Stickstoffdeposition und Ammoniakbelastung in Naturschutzgebieten
Stickstoff als wichtiger Nährstoff für Lebewesen ist in der Natur Mangelware. Naturnahe Ökosysteme sind an diese Gegebenheit angepasst. Erst seit gut hundert Jahren hat der Mensch durch die Industrialisierung und die Herstellung von Kunstdünger seine Abhängigkeit von der Mangelware Stickstoff durchbrochen. Dies hat Folgen für naturnahe Ökosysteme, die durch übermässigen Stickstoffeintrag aus der Luft belastetet werden. Als wichtiges Mass für eine Überlastung gelten die Critical Loads. Diese sind auch vielerorts in Naturschutzgebieten massiv überschritten.
2019 wurden zum vierten Mal die Einträge an sogenanntem reaktivem Stickstoff über die Luft in einem schweizweiten Projekt als Ergänzung zu den Ammoniakmessungen erhoben. Dabei wird der Eintrag von oxidierten und reduzierten Stickstoffverbindungen bestimmt. Oxidierte Stickstoffverbindungen in der Luft, wie Stickstoffdioxid und Nitrat, stammen in der Schweiz hauptsächlich aus der Verbrennung fossiler Energieträger für Wärme und Mobilität. Reduzierte Stickstoffverbindungen in der Luft, wie Ammoniak und Ammonium, stammen hingegen zu über 90 Prozent aus der Landwirtschaft. Diese reaktiven Stickstoffverbindungen werden hauptsächlich als Gase (Ammoniak, Stickstoffdioxid) und in Feinstaubpartikeln sowie im Regenwasser (Ammonium, Nitrat) in empfindliche Ökosysteme eingetragen.
Übermässige Belastung in Naturschutzgebieten
Die Bandbreite der Stickstoffeinträge aus der Luft ist mit 10 bis 60 kg Stickstoff pro Hektare und Jahr sehr gross. Besonders hohe Belastungen treten in den Gebieten mit intensiver Viehwirtschaft auf. Geringer ist die Belastung in Gebieten mit mehr Acker- und Gemüsebau. Von den zu hohen Stickstoffeinträgen sind auch viele Naturschutzflächen und extensiv bewirtschaftete Flächen betroffen. An fast allen untersuchten Standorten werden die Critical Loads für empfindliche Ökosysteme deutlich überschritten. Dabei besteht ein enger Zusammenhang zwischen der Ammoniakbelastung und dem Stickstoffeintrag, denn Ammoniak macht einen grossen Teil dieses Stickstoffeintrags aus.
Der übermässige Stickstoffaustrag aus der Luft hat für viele Ökosysteme gravierende Folgen für ihre Struktur und Funktion. Empfindliche Ökosysteme sind zum Beispiel Wälder, Trockenrasen und andere artenreiche Naturwiesen, Hochmoore, Flachmoore, Heidelandschaften und nährstoffarme Still- und Fliessgewässer. Der zusätzliche Stickstoff düngt auch diese, auf wenig verfügbaren Stickstoff angepassten Systeme. Dabei kommt es zu veränderten Lebensbedingungen der Pflanzen und Tiere, so dass Arten verdrängt werden. Der übermässige Stickstoffaustrag aus der Luft ist damit für eine Verringerung der Artenvielfalt verantwortlich und hat einen direkten Einfluss auf die Biodiversität.
Bei der Umwandlung von reaktivem Stickstoff im Boden kann es zu Bodenversauerung kommen, was unter anderem Wälder anfälliger gegen Stürme, Schädlinge und Trockenheit machen kann. Die Belastung der Wälder kann mit den Messungen im Freiland und den Depositionskennzahlen für den Wald abgeleitet werden. Die Dauermessreihe auf dem Bachtel ist stellvertretend für den Stickstoffeintrag in den angrenzenden Wald. Seit Messbeginn von 2001 wird hier der Critical Load für Wald andauernd überschritten, ohne eine klare Verbesserungstendenz.
Zum Thema Stickstoffeinträge finden Sie auch interessante Aussagen von Experten aus Naturschutz, Forstwirtschaft und Lufthygiene im OSTLUFT Jahresbericht 2016 unter dem Titel «Folgen hoher Stickstoffdeposition - Stilles Sterben, schleichendes Verschwinden».
Massnahmen sind dringend
Die Messergebnisse unterstreichen die Dringlichkeit für wirksame Massnahmen zur Minderung der Ammoniakemissionen aus der Landwirtschaft. Wirkungsvolle Massnahmen sind stickstoffoptimierte Fütterung, Reduktion der verschmutzten Flächen im Stall und im Laufhof, Abluftreinigung bei geschlossenen Ställen, Abdeckung der Güllelager sowie der Einsatz des Schleppschlauchs bei der Gülleausbringung. Die Informationsplattform www.ammoniak.ch zeigt mögliche Massnahmen auf und verbindet Praxis, Vollzug und Forschung. Zudem hängt die Zielerreichung stark von der Entwicklung der Tierzahlen ab, welche durch die Marktstruktur, Marktunterstützungsmassnahmen und das Konsumverhalten beeinflusst wird.