Langfristige Abnahme der NO₂-Belastung
Die ZHAW in Winterthur hat im Auftrag von OSTLUFT eine Trendanalyse der vorhandenen NO2-Passivsammler-Messreihen mit Witterungsbereinigung durchgeführt. Im Zentrum stand die Frage: «Gibt es einen einheitlichen Trend der witterungsbereinigten Zeitreihen beziehungsweise gibt es Unterschiede je nach lufthygienischer Standortklasse oder Region?»
Langjährige Messreihen helfen bei der Beurteilung der Entwicklung der Luftbelastung über die Zeit. Sie dienen zudem als Erfolgskontrolle der getroffenen lufthygienischen Massnahmen zur Verringerung des Schadstoffausstosses. Im Fall von NO2 stammt die gemessene Luftbelastung hauptsächlich aus dem menschengemachten Ausstoss von Stickoxiden (NOx). Allerdings wird die Ausbreitung und chemische Umwandlung von NOx aus den verschiedenen Quellen auch von der Witterung beeinflusst. Unterschiede in den Witterungshäufigkeiten und ihre saisonalen Verschiebungen führen zu jährlichen Schwankungen in den Jahresmittelwerten, selbst wenn Ferntransport und Schadstoffausstoss gleichbleiben würden. Um die Entwicklung der durch den Menschen ausgestossenen Luftschadstoffe besser zu beurteilen, wird deshalb versucht, den Witterungseinfluss in den Zeitreihen durch statistische Berechnungen auszuschliessen und somit mit Hilfe der Messungen Rückschlüsse auf die zeitliche Entwicklung des NOx-Ausstosses zu ziehen.
Im Auftrag von OSTLUFT hat die ZHAW in Winterthur eine Trendanalyse der vorhandenen NO2-Passivsammler-Messreihen (d. h., die NO2-Belastung wird meist im zweiwöchigen Mittel gemessen) durchgeführt. Im Zentrum stand die Frage: «Gibt es einen einheitlichen Trend der witterungsbereinigten Zeitreihen beziehungsweise gibt es Unterschiede je nach lufthygienischer Standortklasse oder Region?»
Vorhandene Messreihen
Zur statistischen Feststellung des Witterungseinflusses ist eine genügende Anzahl an Messwerten an einem Standort notwendig, daher wurden nur Messreihen von mehr als 6 Jahren für die Auswertung berücksichtigt (unabhängig davon, über welchen Zeitraum sie erhoben wurden). OSTLUFT verwaltet NO2-Passivsammler-Messreihen von 1984 bis heute. Von den meisten Standorten sind aber Periodenwerte erst ab 2001 elektronisch verfügbar. Daraus ergab sich von 1997 bis einschliesslich 2017 ein Datenkollektiv von 246 Messreihen. 25 Prozent der Messreihen umfassen 20 Jahre und mehr, 46 Prozent umfassen 10 bis 19 Jahre.
Statistischer Lösungsansatz
Aufgrund der witterungsbedingten Saisonalität und typischer weiterer kurzzeitiger Witterungsschwankungen erfolgte die statistische Analyse mit Witterungsbereinigung mit den Zeitreihen der Zwei-Wochen-Mittelwerte (Periodenmittel) und nicht mit den Jahresmittelwerten. Für die Witterungsdaten wurde pro Standort auf modellierte Tageswerte von METEOBLUE zurückgegriffen. Die räumliche Auflösung der zur Verfügung stehenden Witterungsdaten beträgt für Temperatur, Taupunkt und Windgeschwindigkeit 4 km, für Windrichtung, Niederschlag, Globalstrahlung, Wolkenbedeckung und Mischungsschichthöhe 30 km. Für jeden Messstandort wurden anschliessend aus den Tageswerten Periodenmittelwerte entsprechend der Passivsammler-Expositionszeit abgeleitet. Mit generellen additiven Modellen wurde bestätigt, dass der Zusammenhang zwischen der logarithmierten Konzentration und den verschiedenen Einflussgrössen linear ist. Anschliessend erfolgte die Auswertung mittels robuster linearer Regression, so dass einzelne Ausreisser in den Daten die Resultate nicht negativ beeinflussen konnten. Pro Standort wurde die Abnahme (Zunahme) der NO2-Belastung quantifiziert, welche im Wesentlichen durch menschliche Emissionen verursacht wurde.
Langzeittrends erlauben Rückschlüsse auf Verlauf des NOx-Ausstosses
Die witterungsbereinigten Langzeitverläufe aus der statistischen Analyse bilden nicht mehr die realen Luftbelastungsverläufe ab, sondern erlauben eine auf Luftqualitätsmessungen abgestützte Annäherung an die Zeitverläufe des NOx-Ausstosses aus verschiedenen Schadstoffquellen.
Über alle Standorte und Zeiten betrachtet ergibt sich aus der statistischen Analyse als Trend der NO2-Belastung eine jährliche Abnahme um 0.7%. Die stärkste witterungsbereinigte Abnahme wurde innerhalb der Siedlungen von Dörfer und Städten ohne oder mit mässigem Verkehr festgestellt. Seit Mitte der 90er-Jahre wurden verschiedene Massnahmen zur Verringerung des NOx-Ausstosses getroffen (z. B. LowNOx-Feuerungen, Entstickung in der Industrie und Abfallentsorgung, 3-Weg-Katalysator für Benzinmotoren). Die vorliegende Betrachtung erlaubt eine Abschätzung, in welchem Umfang diese Massnahmen erfolgreich bei der Verringerung des NOx-Ausstosses waren. Im Gegensatz zu den meisten Standorten stieg über den betrachteten Zeitraum der witterungsbereinigte NO2-Trend an Hochleistungsstrassen mit sehr hohem Verkehrsaufkommen im Mittel sogar leicht an. Man kann davon ausgehen, dass die Messwerte an diesen Standorten sehr direkt, hauptsächlich von der starken NOx-Quelle des Strassenverkehrs (vor allem durch Dieselfahrzeuge) beeinflusst sind. Bilanzierungen des NOx-Ausstosses aus dem Strassenverkehr bilden diese Entwicklung ebenfalls ab (trotz strengerer Vorgaben zum NOx-Ausstoss bei der Marktzulassung – Stichwort Diesel-Abgasskandal). Das statistische Modell zeigt an diesen Standorten zudem auf, dass die NO2-Belastung mit steigender Lufttemperatur ansteigt. Dies ist wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass bei hohen Temperaturen das ausgestossene NOx effizienter in NO2 umgewandelt wird. Zudem stossen Euro 4 und Euro 5 Dieselfahrzeuge bei sehr hohen Temperaturen mehr NOx aus als unter moderaten Temperaturen.
Bemerkungen zur Modellrechnung
- Nach der Datenanalyse erschien eine robuste lineare Regression der logarithmierten Konzentrationen pro Standort als passendes Modell für die Trendbetrachtung. Dieses wird durch Ausreisser und Knicks in den Zeitreihen wenig beeinflusst.
- Die Analyse lieferte einen interpolierten witterungsbereinigten «virtuellen» NO2-Jahresmittelwert für das Jahr 2017 und den Trend für jeden analysierten Standort.
- Mit dem Modell lässt sich aber kein Vergleich von witterungsbereinigter und gemessener Zeitreihe erstellen.