Auswirkungen der verringerten Aktivitäten durch die Sars-CoV-2 Pandemie auf die Luftqualität

Zusammenfassung

Die Pandemie aufgrund des Sars-CoV-2 Virus hat zu einer Verringerung grosser Teile des wirtschaftlichen und öffentlichen Lebens geführt. Seit dem ‘lockdown’, den der Bundesrat mit der ausserordentlichen Lage verordnet hat, hat sich das Verkehrsaufkommen im Kanton Zürich um rund 20 bis 50 % reduziert In den darauffolgenden schrittweisen Lockerungsphasen stieg das Verkehrsaufkommen langsam wieder auf das Normalniveau. Strassenverkehr ist Hauptquelle für Stickoxide (NOx). Da noch weitere Quellen für NOx Emissionen verantwortlich sind, wird sich die Verkehrsreduktion nur direkt an stark befahrenen Strassen in ähnlichem Umfang in Luftqualitäts-Messdaten nachweisen lassen. Der Nachweis wird dadurch verkompliziert, dass die Witterung einen massgeblichen Einfluss darauf hat, wie sich das ausgestossene NOx verbreitet. Verschiedene Analysen liefern somit Antworten mit unterschiedlicher Aussagekraft. Vorher-Nachher Vergleiche mit Satellitendaten der Europäischen Raumfahrtagentur haben eine Verringerung der Luftbelastung mit NOx an vielen europäischen Hotspots veranschaulicht. Der direkte Vergleich hat aber Unsicherheiten (zum Beispiel: sind die Perioden überhaupt vergleichbar?). Eine weitere Analyse durch OSTLUFT weist an der verkehrsbelasteten Zürcher Messstation ‘Rosengartenstrasse’ nach, dass sich die lokale Verkehrs-Zusatzbelastung mit NOx durch den lockdown in einem ähnlichen Umfang verringert hat, wie die Verkehrszahlen einer benachbarten Verkehrszählstelle. Dadurch, dass nur die lokale Zusatz-NOx-Belastung durch den Verkehr betrachtet wurde, ist das Ergebnis unempfindlicher gegen den verfälschenden Einfluss von Witterungsschwankungen. Eine andere statistische Analyse wurde durch die Empa veröffentlicht. Dabei wurden statistische Modelle mit Luftqualitäts- und Wetterdaten vor dem lockdown aufgestellt. Mit der realen Witterung nach dem lockdown wurden die NOx Konzentrationen an verschiedenen Messstationen mit den Modellen vorhergesagt. Aus dem Unterschied zwischen Vorhersage und realen Messwerten lässt sich das Szenario ‘business-as-usual’ mit der echten Entwicklung nach dem lockdown vergleichen. Es wurde an Strassenstandorten eine ähnliche Verringerung der NOx-Luftbelastung nachgewiesen, wie durch die Abnahme des Verkehrsaufkommens erwartet. Die durch den lockdown verminderten Aktivitäten sind schrittweise wieder angezogen. Damit haben auch die zwischenzeitlich verringerten Luftschadstoffemissionen und die entsprechende Luftbelastung wieder zugenommen. Das durch die Pandemie erzwungene ‘Experiment lockdown’ hat den Zusammenhang zwischen Schadstoffquellen und Luftbelastung teilweise eindrücklich aufgezeigt. Es verdeutlicht, dass auch in der Schweiz das Potential besteht, die Luftqualität zum Nutzen von Gesundheit und Umwelt weiter zu verbessern.

Sars-CoV-2 Pandemie führt zu Einschränkungen und weniger Luftschadstoffemissionen

Die Schweiz erlebt gegenwärtig gemeinsam vielen Teilen der Welt eine beispiellose Pandemie aufgrund des Sars-CoV-2 Virus. Die Folgen sind gravierend: einerseits für die Gesundheit mit der Covid-19 Erkrankung, andererseits durch die getroffenen Massnahmen auch für die allgemeine Bewegungsfreiheit und die Wirtschaft. Der Schweizer Bundesrat hat am 16. März 2020 mit der ausserordentlichen Lage eine landesweite, teilweise Stilllegung von Aktivitäten mit zu hoher Ansteckungsgefahr verordnet1. Die Massnahmen haben zu einer Verringerung der Aktivitäten in der Öffentlichkeit und Wirtschaft geführt. Mittlerweile wurde die ‘ausserordentliche Lage’ mit sinkenden Fallzahlen in die ‘besondere Lage’ überführt. Die verschiedenen Lockerungsschritte haben seitdem wieder zu einer schrittweisen Erhöhung von Aktivitäten wie dem Strassenverkehr geführt (die Phasen sind zeitlich aufeinanderfolgend hier mit ‘ausserord. Lage & lockdown’ / ‘Lockerungen’ / ‘weitergehende Lockerungen’ / ‘besondere Lage’ bezeichnet). Mobilität und Wirtschaft sind in Europa und der Schweiz auch für den überwiegenden Teil der Luftschadstoffemissionen verantwortlich. Die entsprechende Verringerung der Aktivitäten wirkt sich unweigerlich auf die Emissionen und damit auch auf die Luftqualität aus. Dieses Dokument fasst beispielhaft den gegenwärtigen Stand der von ausgewählten Analysen zu Auswirkungen der Sars-CoV-2 Pandemie auf die Luftbelastung2 in OSTLUFT beziehungsweise der Schweiz zusammen und stellt die Ergebnisse in einen fachlichen Kontext.

Weniger Verkehr verringert die Emissionen von Stickoxiden

Ein Beispiel für die Abnahme lufthygienisch relevanter Aktivitäten ist der Verkehr. Der Strassenverkehr hat durch die Einführung des lockdown an viellen Verkehrszählstellen um rund 20 bis 50 % abgenommen; der Flugverkehr ist Schritt für Schritt nahezu zum Erliegen gekommen3. In Abbildung 1 ist das Verkehrsaufkommen an der Zürcher Rosengartenstrasse zwischen Februar und Juli 2020 dargestellt. Die Unterteilung nach der Phase vor dem lockdown und die verschiedenen Phasen danach verdeutlicht, dass an dieser Einfallsachse der Verkehr durch die Sars-CoV-2 Massnahmen während lockdown unter der Woche um rund 20 % abgenommen hat, am Wochenende um rund 40 %. An der stark verkehrsgeprägten Zürcher Rosengartenstrasse befindet sich die am stärksten mit Luftschadstoffen belastete, innerstädtische OSTLUFT Luftqualitäts-Messstation. Der Standort steht stellvertretend für andere, ähnliche Strassenabschnitte, an denen keine Messungen gemacht werden können. Durch die verschiedenen Lockerungsschritte ist es seit dem lockdown wieder zu einem Anstieg der Verkehrszahlen an der Rosengartenstrasse gekommen, so dass mittlerweile wieder eine Verkehrssituation erreicht ist, die der vor dem lockdown ähnelt (Abbildung 1). In Abbildung 2 ist über einen Tagesverlauf das mittlere Verkehrsaufkommen an der Rosengartenstrasse während dem lockdown in der Phase grösster Verkehrsreduktionen dargestellt. Die Abnahme von 20 bis 40 % lässt sich hauptsächlich durch einen Rückgang bei dem Privatverkehr erklären.

Abbildung 1: Tägliche Verkehrszahlen an der Zürcher Rosengartenstrasse vom 21.01.2020 bis 02.07.2020 (‘Wochenende’ beinhaltet Samstag/Sonntag/Feiertage, Daten: Stadt Zürich, Umwelt und Gesundheitsschutz).

Abbildung 2: Mittlere Verkehrszahlen im Tagesverlauf an der Zürcher Rosengartenstrasse vom 21.01.2020 bis 02.07.2020 (beide Richtungen, ‘Privatverkehr’ = Personenwagen und Motorräder, ‘Wochenende’ beinhaltet Samstag/Sonntag/Feiertage, ‘DTV’ = durchschnittlicher Tagesverkehr (mittlere Anzahl Fahrzeuge pro Tag), Daten: Stadt Zürich, Umwelt und Gesundheitsschutz).

Der Verkehr, insbesondere der Strassenverkehr, ist die allgegenwärtige Hauptquelle für Stickstoffdioxid (NO2), einen wichtigen, luftqualitätsbestimmenden und gesundheitsschädlichen Leitschadstoff (um die relevanten Emissionen zu beschreiben, betrachtet man allerdings besser alle Stickoxide4: NOx). Als Beispiel zeigt Abbildung 3 die gesamten NOx Emissionen im Kanton Zürich im jährlichen Durchschnitt. Der Verkehr (Strasse, Luftfahrt, Schiene, Schiffe) ist in einem Jahr ohne lockdown insgesamt zu fast zwei Dritteln für den gesamten NOx Ausstoss verantwortlich. Dabei macht der Strassenverkehr einen grossen Teil der Gesamtemissionen aus (rund 40 %); gefolgt vom Flugverkehr5 mit rund 15 %. Die NOx-Emissionen verteilen sich je nach Ort und Zeit unterschiedlich (stark erhöht an vielbefahrenen Strassen, auf dem Flughafen und in der Höhe der Flugrouten, zu Zeiten mit viel / wenig Verkehr etc). Abbildung 3 verdeutlicht zudem, dass verschiedene weitere Quellen zu den gesamten NOx-Emissionen beitragen, so dass eine alleinige Verringerung, zum Beispiel des Strassenverkehrs, aufgrund lockdown nicht 1:1 die gesamten NOx Emissionen absenkt, sondern um einen vergleichsweisere geringeren Anteil. Ein Rechenbeispiel: eine Halbierung von Strassen- und Flugverkehr verringert die gesamten NOx-Emissionen um grob 30 %, falls alle anderen Quellenbeiträge stabil blieben. Somit bewirken die verringerten Aktivitäten durch den Sars-CoV-2 lockdown, zum Beispiel im Strassenverkehr, zwangsläufig eine Verringerung der NOx-Emissionen. Da die verschieden NOx-Quellen nicht alle im gleichen Umfang durch den lockdown betroffen sind, sinken die Emissionen gesamthaft wahrscheinlich um einen geringeren Anteil als die Reduktion des Strassenverkehrs.

Abbildung 3: Verteilung der Stickoxid-Emissionen im Kanton Zürich im Jahr 2020 (Total: 6'943 t NOx, Daten: OSTLUFT).

Bei den Auswirkungen der Emissionsänderung auf die Luftqualität muss das Wetter mitberücksichtigt werden

Emissionsverläufe, wie die Entwicklung der NOx Emissionen vor und nach dem lockdown, schlagen sich allerdings auch aus anderen Gründen meistens nicht 1:1 in den Immissionsverläufen nieder. Ein Hauptgrund dafür ist, dass in der Luft die Verfrachtung und Veränderung der ausgestossenen Schadstoffe durch wechselnden Einfluss der Witterung beeinflusst wird (Abbildung 4). Das betrifft zum Beispiel Anreicherung, Abtransport und Verdünnung in der Atmosphäre durch Thermik und Wind oder durch chemische Prozesse, die die Schadstoffe verändern beziehungsweise wieder aus der Luft entfernen. Zudem sind in vielen Fällen die Emissionen selber direkt abhängig von der Witterung. Durch diese Zusammenhänge kann die Luftqualität selbst bei gleichbleibenden Emissionen beträchtlich schwanken. In Bezug auf die Auswirkungen des Sars-CoV-2 lockdown auf die Luftqualität macht das einen direkten zeitlichen Vorher-Nachher Vergleich allein mit Daten zur Luftbelastung an einem Standort sehr schwierig. Zum Beispiel hat in der Schweiz kurz nach dem lockdown zeitweilig eine kräftige und stabile Bise mit völlig veränderten Windverhältnissen und Temperaturen als vorher eingesetzt. Typischerweise verändert sich die gemessene Luftbelastung auch ohne lockdown allein durch solche Witterungsänderungen.

Abbildung 4: Zusammenhang zwischen Luftschadstoffausstoss (Emissionen) und Luftbelastung (Konzentration) bzw. Einwirkung (Immission) (Quelle: Europäische Umweltagentur EEA, modifiziert).

Was sagen die Messdaten zu den Auswirkungen des Sars-CoV-2 lockdown auf die Luftqualität?

Die einfachste Art einer Abschätzung zu den Auswirkungen ist ein Vorher-Nachher Vergleich. Einen solchen hat die Europäische Raumfahrtagentur ESA kürzlich mit Satellitendaten vor und nach den diversen lockdowns in Europa veröffentlicht (Abbildung 5). Dabei erscheint der Rückgang der Messwerte für NOx in vielen Europäischen Hotspots für Luftbelastung (zum Beispiel Norditalien, Paris, Benelux, das deutsche Ruhrgebiet) sehr deutlich. Es ist gut möglich, dass diese Analyse tatsächlich eine Sars-CoV-2 bedingte Verbesserung der Luftqualität aufzeigt. Allerdings hat der Vergleich Schwächen6: Die Zusammenhänge von der Luftqualität mit der Witterung werden nicht berücksichtigt; Satelliten messen alles NO2 zwischen der Erdoberfläche und der Obergrenze der Atmosphäre. Auch, wenn das meiste NOx (bzw. NO2) bodennah ausgestossen wird, ist daher unklar in welcher Höhe die dargestellte Luftbelastung hauptsächlich stattfindet. Der Satellit passiert Europa in gewissen Zeitabständen, daher umfasst die Analyse nicht den gesamten Zeitraum vor und nach dem lockdown. Wie dem auch sei, die Satellitendaten deuten in verschiedenen europäschin Ballungsräumen einen durchschnittlichen Rückgang der Luftbelastung mit NO2 von rund 50 % an.

Abbildung 5: Satellitendaten (Sentinel 5P) zur durchschnittlichen räumlichen Verteilung von NO2 vor und seit den europaweiten lockdowns (Quelle: Europäische Raumfahrtagentur ESA).

Um die Frage nach den Auswirkungen des lockdown mit Luftqualitäts-Messdaten ausreichend genau zu beantworten, müssen detailliertere, statistische Auswertung herangezogen werden, mit denen die Zusammenhänge zwischen Emission, Ausbreitung und (an den Messstationen gemessenen) Luftschadstoffkonzentrationen berücksichtigt werden. Für solche bedarf es einer ausreichenden Menge an Daten. Die Ergebnisse werden dabei daher umso genauer, je mehr Zeit seit dem lockdown verstrichen ist.

Ein Analyseansatz ist, die Veränderung der Spitzen-Luftbelastung sehr nah an dominierenden Quellen anzuschauen. In der Lufthygiene werden Standorte meist danach unterschieden, welche typischen Belastungsmuster sie repräsentieren. Man unterscheidet dabei lufthygienisch den sogenannten ländlichen Hintergrund von dem städtischen Hintergrund und Orten mit Spitzenbelastungen (meist durch den Strassenverkehr) (Abbildung 6). Die Gesamtbelastung an einem Ort wird durch die Summe aller Beiträge dieser Belastungstypen gebildet. Hintergrund-Standorte sind indirekt über die räumliche Ausbreitung von Luftschadstoffen durch Hotspots mitbeeinflusst, doch, wie Abbildung 6 veranschaulicht, dominiert die Verkehrsquelle vor allem die Spitzenbelastungen (von NOx) direkt an Strassen. Um nun den Einfluss der Schwankungen der Hintergrundbelastung, bedingt unter anderem durch die Witterungsschwankungen, herauszurechnen, subtrahiert man die städtische Hintergrundbelastung7 von der Spitzenbelastung. Für Verkehrsstandorte, wie der Zürcher Rosengartenstrasse, erhält man so die Zusatzbelastung durch den Verkehr direkt am Verkehrsstandort. Diese Verkehrs-Zusatzbelastung sollte für NOx weniger anfällig auf witterungsbedingte Änderungen der Luftqualität reagieren.

Abbildung 6: Schematische Darstellung der Verteilung von lufthygienischen Belastungstypen und ihren Beiträgen entlang eines Land – Agglomeration – Stadt – Agglomeration – Land Querschnittes (nach Lenschow et al. (2001), modifiziert).

Das oben beschrieben Vorgehen wurde für die NOx Messwerte der Rosengartenstrasse angewendet8. Abbildung 7 zeigt das Ergebnis der Analyse. Im Tagesverlauf werden NOx-Mittelwerte der Verkehrs-Zusatzbelastung vor und während dem lockdown (‘ausserord. Lage & lockdown’) gegenübergestellt (analog zu Abbildung 2). Die blaue Kurve in dem oberen Abbildungsteil zeigt den mittleren Verlauf aller Daten vor dem lockdown, die rote Kurve den mittleren Verlauf während dem lockdown. In grau ist die Bandbreite der Verläufe vor lockdown, aber bezogen auf Mittelwerte über einzelne Monate, angedeutet. Wenn der (rote) Verlauf während lockdown also unterhalb des grauen Bereiches liegt, kann davon ausgegangen werden, dass eine Absenkung der Verkehrs-Zusatzbelastung an der Rosengartenstrasse auftrat, wie sie vorher noch nie beobachtet wurde. Sowohl werktags, als auch vor allem am Wochenende ist dies der Fall. Die Auswirkung des Sars-CoV-2 lockdown auf die NOx-Emissionen und damit die Luftqualität kann also auch mit den Messwerten des Luftqualitäts-Messnetzes direkt aufgezeigt werden. Die untere Zeile in Abbildung 7 verdeutlicht den Unterschied zwischen dem mittleren Verlauf vor und während lockdown. Insgesamt hat sich die Zusatzbelastung um bis zu 23 ppb NOx verbessert. Der Rückgang beträgt im Schnitt grob 25 % (werktags) bis 50 % (Wochenende). Diese Zahlen passen sehr gut zur Abnahme des Verkehrsaufkommens an der Rosengartenstrasse (siehe Abbildung 2).

Abbildung 1 hat gezeigt, dass durch die verschiedenen Lockerungsschritte seit dem lockdown die Verkehrszahlen an der Rosengartenstrasse wieder angestiegen sind. Das ‘Experiment lockdown’ hat somit Daten geliefert, mit denen die ganze Bandbreite der veränderten Verkehrszahlen und NOx-Zusatzbelastung betrachtet werden kann. Dabei zeigt sich, dass es im Duchschnitt einen direkten, linearen Zusammenhang zwischen der lokalen NOx Belastung und der Anzahl an Fahrzeugen gibt (Abbildung 8). Dieser Zusammenhang mit dem Strassenverkehr erklärt einen Grossteil der zusätzlichen Luftbelastung mit NOx am Standort Rosengartenstrasse.

Abbildung 7: Mittlere Tagesverläufe der Verkehrs-Zusatzbelastung von NOx an der Zürcher Messstation Rosengartenstrasse vor und nach dem Sars-CoV-2 lockdown; blaue Kurve = Mittelwert vor lockdown, rote Kurve = Mittelwert während lockdown, grauer Bereich = Bandbreite vor lockdown auf Basis von Einzelmonaten (‘Wochenende’ beinhaltet Samstag/Sonntag/Feiertage, gestrichelte Linien = mittlere Zusatzbelastung über Gesamtperiode inkl. entsprechender Veränderung nach vs. vor lockdown (Prozentzahl); Daten: OSTLUFT & BAFU/Empa, Datengrundlage: 01.01.2018 bis 04.07.2020)9.

Abbildung 8: Mittlerer Zusammenhang der täglichen Verkehrszahlen an der Rosengartenstrasse mit der NOx Verkehrs-Zusatzbelastung im Tagesmittel (n bezeichnet die Anzahl an Tagesmitteln pro Klasse, Kreis und Fehlerbalken stellen den Mittelwert inkl. Standardfehler dar), Datengrundlage: 21.01.2020 bis 02.07.2020)10.

Eine weitere Art, die Zusammenhänge zwischen Emissionsverläufen, Witterung und Luftschadstoffmesswerten systematisch berücksichtigen ist, geeignete statistische Modelle aufzustellen und auszuwerten. Diese sogenannte Witterungskorrektur bei lufthygienischen Trendanalysen11 ist eine robuste Methode, sofern ausreichende und geeignete Daten zur Modellbildung zur Verfügung stehen. Man kann so statistisch auch die Auswirkungen des Sars-CoV-2 lockdown auf die Luftqualität beschreiben. Eine entsprechende Analyse wurde kürzlich von der Empa veröffentlicht. Das Vorgehen bestand darin, Modelle zur Vorhersage der (in diesem Beispiel) NOx Verläufe aufzustellen, welche mit Messdaten vor dem lockdown ‘trainiert’ wurden. Das bedeutet, für Vorhersagen der NOx-Verläufe nach dem lockdown erwartet das Modell, unter Berücksichtigung der tatsächlich aufgetretenen Witterungsverläufe, typische NOx-Verläufe12, wie sie vor dem lockdown vorherrschten. Die NOx-Konzentrationen, die mit dem Modell nach dem lockdown simuliert wurden, wurden dann mit den echten Messwerten (bei denen in der Realität Änderungen der Emissionen durch den lockdown auftreten) verglichen. Durch die Abweichung der beiden Verläufe, im Sinne eines Vergleiches von Szenarien - business-as-usual versus lockdown -, lässt sich schliessen, dass die reduzierten Aktivitäten durch den Sars-CoV-2 lockdown tatsächlich zu einer Verringerung der Luftbelastung geführt haben (Abbildung 9). Die Abnahme ist an den verkehrsgeprägten am stärksten, da hier der Verkehr am meisten zur NOx-(Spitzen-)Belastung beiträgt. Sie bewegt sich dort im mittleren Bereich von rund 20 bis 25 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft (bzw. durchschnittlich rund 30 %), was gut mit den reduzierten Verkehrszahlen und der oben präsentierten Analyse der Verkehrs-Zusatzbelastung übereinstimmt.

Abbildung 9: Veränderung der NOx Konzentrationen vor und nach dem lockdown unter Berücksichtigung des Witterungseinfluss mit Hilfe statistischer Modelle für verschiedene NABEL_Standorttypen (Stand: 25.06.2020, Quelle (modifiziert): Empa).


  1. siehe: Bundesamt für Gesundheit.↩︎

  2. Es ist zudem auch möglich, dass die Wechselwirkung von Covid-19 und Luftqualität direkt gesundheitsrelevant ist, indem eine chronisch schlechte Luftqualität die Empfindlichkeit gegenüber einer Covid-19 Erkrankung erhöht; siehe: Conticini et al. (2020).↩︎

  3. siehe zum Beispiel: Amt für Statistik Kanton Zürich.↩︎

  4. NOx setzt sich aus Stickstoffmonoxid (NO) + gesundheitsschädlichem Stickstoffdioxid (NO2) zusammen, wobei sich NO in der Atmosphäre schnell zu NO2 umwandelt.↩︎

  5. Die NOx Emissionen des Flugverkehrs beziehen sich unter anderem auf die Emissionen des sog. LTO Zyklus’, d.h. der Ort der Emissionen erstreckt sich zwischen Bodenniveau und einer Höhe von 1000 m über Grund. Dabei werden grob 50 % der gesamten NOx Emissionen als immissionswirksam betrachtet.↩︎

  6. Die besondere Stärke der Satellitendaten, allerdings, liegt unbezweifelt an der flächendeckenden Erfassung der Luftqualität.↩︎

  7. Die Hintergrundbelastung wird mit den Messwerten eines nahegelegenen entsprechenden Standortes erfasst.↩︎

  8. Als Pendent für die Rosengartenstrasse wurde der nahegelegene NABEL Standort Zürich Kaserne im städtischen Hintergrund verwendet.↩︎

  9. Die Auswertung erfolgte mit Stundenmitteln; als städtischer Hintergrund wurde der NABEL Standort Zürich Kaserne einbezogen, es wurden nur Daten berücksichtigt, bei denen die Windgeschwindigkeit (gemessen an der Zürcher Stampfenbachstrasse, auf dem Dach eines Häuserblocks) geringer als 3 m/s war und wenn die Ozon-Konzentration an der Rosengartenstrasse geringer als an der Stampfenbachstrasse war. Der graue Bereich in der oberen Abbildung zeigt die niedrigsten und höchsten Mittelwerte bezogen auf einzelne Monate vor dem lockdown an, die blaue Kurve zeigt den mittleren Verlauf aller Messwerte vor lockdown. Die rote Kurve zeigt den Mittelwert seit dem lockdown. Wenn die rote Kurve ausserhalb des grauen Bereiches liegt, so trat eine so niedrige Verkehrs-Zusatzbelastung noch nie in dem betrachteten Zeitraum vor dem lockdown auf.↩︎

  10. Die Auswertung erfolgte mit Stundenmitteln; als städtischer Hintergrund wurde der NABEL Standort Zürich Kaserne einbezogen, es wurden nur Daten berücksichtigt, bei denen die Windgeschwindigkeit (gemessen an der Zürcher Stampfenbachstrasse, auf dem Dach eines Häuserblocks) geringer als 3 m/s war und wenn die Ozon-Konzentration an der Rosengartenstrasse geringer als an der Stampfenbachstrasse war. Der graue Bereich in der oberen Abbildung zeigt die niedrigsten und höchsten Mittelwerte bezogen auf einzelne Monate vor dem lockdown an, die blaue Kurve zeigt den mittleren Verlauf aller Messwerte vor lockdown. Die rote Kurve zeigt den Mittelwert seit dem lockdown. Wenn die rote Kurve ausserhalb des grauen Bereiches liegt, so trat eine so niedrige Verkehrs-Zusatzbelastung noch nie in dem betrachteten Zeitraum vor dem lockdown auf.↩︎

  11. siehe zum Beispiel Grange et al. (2018).↩︎

  12. Von diesen ‘witterungskorrigierten’ NOx-Verläufen lässt sich direkter auf die dazugehörigen Emissionsverläufe schliessen, als durch die einfachen Messdaten ohne Witterungskorrektur.↩︎